Sehr geehrte Frau Trelle, sehr geehrte Redakteure und Mitarbeiter des WDR in Siegen, liebe Demo Teilnehmer und Siegener Bürger am Bahnhof,
„Wer bedroht eigentlich die Demokratie“, Auszüge aus einem Artikel von Sylvie Sophie Scholl vom 26.01.2024. Sie schreibt u.a. für Radio München.
Noch vor wenigen Jahren kam die Order, alle Risikogruppen vor einem
Virus zu schützen. Betroffene meldeten sich und gaben an, dass sie schon gut auf sich selbst achten könnten und gar nicht geschützt werden wollten. Nun ist die Demokratie an der Reihe. Permanent sind Appelle zu hören, die fordern, man solle die Demokratie schützen. Auch hier fragt niemand, ob die Demokratie das überhaupt will. Ist es wirklich nötig, auf sie aufpassen zu müssen wie Helikoptereltern auf ihre Sprösslinge? Braucht sie nicht vielmehr unser Zutrauen, um in ihre Kraft zu kommen? Oder anders gefragt, wieviel Freiheit braucht Demokratie und wieviel Lenkung? Und wie bedroht ist die Demokratie eigentlich wirklich – und von wem?
Als jüngst in 80 Städten in Deutschland Aufmärsche „gegen Rechts“ stattfanden, applaudierten führende Politiker von CDU, Grüne und SPD, ja sie überschlugen sich regelrecht vor Begeisterung. „Vielen Dank für dieses klare Signal“, lobte etwa der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Kein Wunder, schließlich hatte unter anderem Olaf Scholz die Bundesbürger eigens dazu aufgerufen, sich gegen die Opposition zu positionieren; unter anderem willige regierungsfinanzierte NGOs übernahmen die Organisation. Und so skandierten die Gehorsamen in ihren Städten gehorsam gegen Rechts.
Und zwar staatlich legitimiert. Über das in Teilen der Bevölkerung existierende Demokratieverständnis 2024 heißt das: Demonstrieren, hassen und hetzen sollte idealerweise nur der, der das mit offiziellem Einverständnis der Regierung tut.
Nun sind aber Demonstrationen dazu vorgesehen, die Bürger vor einem übergriffigen Staat zu schützen – und nicht, um in seinem Namen
instrumentalisiert zu werden. Das Demonstrationsrecht ist festgeschrieben in Artikel 8 des Grundgesetzes. Die Grundrechte gelten als klassische
Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Daraus folgt: Wenn eine Regierung zu Demonstrationen aufruft, dann ist das keine Demonstration, sondern eine Propagandaveranstaltung.
Den soldatischen Appellen, Demokraten müssten sich unterhaken und fest zusammenstehen, ist entgegenzuhalten, dass jede Gleichschritt-Ideologie hierzulande all denen, die nicht geschichtsvergessen sind, nicht geheuer erscheinen sollte. Auch Feindbilder, die von Regierenden extra geschaffen werden, um hemmungslose Hetze zu ermöglichen, sollten aus nachvollziehbaren Gründen keine Chance mehr auf Popularität bekommen.
Wenn die Demokratie vielmehr gefährdet ist durch die, die sie schützen wollen, worum geht es dann tatsächlich? Die Ampel-Regierung hat deutlich an Zustimmungswerten verloren. Sehr wahrscheinlich ist daher das Bangen um den Machterhalt groß. Könnte es also sein, dass sich die Polit-Elite eigentlich weniger um die Demokratie sorgt als um sich selbst?
Die Unzufriedenheit der Bürger spricht jedenfalls eine deutliche Sprache. Herauszuhören ist dabei allerdings nicht, dass sie nach noch mehr Regulierung, Bürokratie und patriarchalen Strukturen rufen, sondern nach mehr Vertrauen, Dialog und Mitbestimmungsrecht. Es sind Befreiungsversuche und Bestrebungen gegen die Gängelei, durch die sich vielmehr die Frage stellt: Wie lässt sich aus der Demokratie mehr herausholen?
Bitte nehmen Sie, der WDR, diesen Artikel ernst und diskutieren ihn in Ihrem Redaktionsteam. Sicherlich finden sich bei Ihnen auch Journalisten, die sich Gedanken über die aktuelle Lage in Deutschland machen und gerne neutral und ausgewogen die Demokratie Frage beleuchten möchten.